Konzertleben in Wien 1780–1830

WEAVE/FWF Projekt
Projektlaufzeit: 2023–2026
Leitung: John D. Wilson, PhD
Team: Cheston Humphries, BMus M.St. und Mary Kirchdorfer, MA

 

Wien war in den Jahrzehnten um 1800 Schauplatz vieler epochenmachender Ereignisse der Musikgeschichte. Ein Großteil des heutigen klassischen Konzertrepertoires war ursprünglich für Wien bestimmt und wurde dort zwischen 1780 und 1830 uraufgeführt. Dies steht in krassem Gegensatz zu unseren lückenhaften Kenntnissen über die konkreten Aufführungen in dieser Zeit: Sehr wenig ist darüber bekannt, welche Musik an welchem Ort mit durch welche Interpretierenden aufgeführt wurde. So überraschend diese Lücke auch erscheinen mag, so ist sie doch eine Folge einer spezifischen Situation in Wien: Bis 1831 gab es in der Stadt keinen dedizierten öffentlichen Konzertraum. Individuen, die ein Konzert veranstalten wollten, mussten daher entweder eines der Theater an den wenigen spielfreien Tagen im Jahr buchen, oder einen der Multifunktionssäle der Stadt (wie Cafés und Restaurants) mieten. Diese Aufführungen wurden jedoch zahlenmäßig von den privaten und halbprivaten Hauskonzerten bei musikbegeisterten Aristokraten und wohlhabenden Bürger in den Schatten gestellt, deren Zuhörerzahl in die Hunderte gehen konnte. Nur für die großen Theater und Festsäle der Hofburg gibt es bislang verlässliche Daten.

Das internationale Projekt „Konzertleben in Wien 1780–1830“ will diese Forschungslücke sowohl durch eine Neuauswertung bisher gesammelter Konzertdaten als auch durch eine umfassende Auswertung neuer Quellen schließen. Dazu gehören umfangreiche private Dokumente von Wiener Bürgern und Adeligen, aber auch Familienarchive bedeutender Mäzene wie der Familie Deym oder der Familie Schwarzenberg sowie bisher nicht erschlossenes Verwaltungsmaterial.

Parallel dazu wird ein Team von systematischen Musikwissenschaftler*innen der TU Berlin die ca. 50 wichtigsten Aufführungsräume in Wien insbesondere hinsichtlich ihrer Architektur, der Anordnung von Musikern und Publikum und ihrer raumakustischen Bedingungen untersuchen. Für jeden dieser Räume wird das Team die Akustik für den historischen Zustand mithilfe von Messungen in den noch erhaltenen Räumen sowie 3D-Modellen und raumakustischen Simulationen für die nicht mehr erhaltenen Räume rekonstruieren. Diese neu erhobenen Daten werden eine Vielzahl von Möglichkeiten eröffnen, alte Forschungsfragen neu zu bewerten: etwa die sich wandelnde Rolle des Adels für Musikaufführungen in Wien, die Beliebtheit verschiedener Repertoires und die Interdependenz von Raumakustik, Komposition, Aufführung und Rezeption.