Kanzler Sebastian Kurz trat zu Weihnachten – im Bild ein Foto des Kanzleramts – im kirchlichen Umfeld auf. Im Bild ein Treffen mit Kardinal Christoph Schönborn.

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Es scheint wohl beiden Seiten das Klügste zu sein, erst einmal zu schweigen. Für die ÖVP sind die Chatverläufe ihres Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers Sebastian Kurz, in denen flapsig und halbstark vom "Fertigmachen" eines führenden Kirchenvertreters die Rede ist, peinlich genug. Und die angegriffene katholische Kirche will die in den SMS-Konversationen thematisierten "Kirchenprivilegien" wohl auch nicht an die große Glocke hängen. Caritas-Präsident Michael Landau zeigte sich zuletzt aber "irritiert" über die SMS und forderte eine öffentliche Entschuldigung.

"Heute ist die Kirche bei uns (...). Wir werden Ihnen ordentliches Package mitgeben. Im Rahmen eines Steuerprivilegien Checks aller Gruppen in der Republik wird (...) auch die Kirche massiv hinterfragt. LG Thomas", hatte der heutige Chef der Staatsholding Öbag, Thomas Schmid, einst an Kurz geschrieben. Dieser munitionierte Schmid noch auf: "Ja super. Bitte Vollgas geben." Buddy Schmid legte nach: "Yeah! Das taugt mir voll." Der in die Mangel genommene Kirchenmann "war zunächst rot dann blass dann zittrig", meldete Schmid amüsiert. Der Kanzler: "Super danke vielmals!!!!"

Der renommierte Kirchenrechtler Richard Potz vom Institut für Rechtsphilosophie der Juristischen Fakultät der Universität Wien schüttelt ungläubig den Kopf: "Dass diese Worte aus der Spitze der ÖVP kämen, hätte ich wirklich nicht erwartet. Ich bin verblüfft." Dass jetzt der Obmann der ÖVP de facto das Anti-Kirchenprivilegien-Volksbegehren des Jahres 2013 propagiere, sei "reine Polemik". Kurz müsse wissen, dass die Debatte über Privilegien der katholischen Kirche im Grunde ins Leere gehe: "Denn vieles, was man der katholischen Kirche als Privileg auslegt, gilt ja nicht nur für diese", sagt Potz. Etwa die oft kritisierten Steuervorteile: In Österreich seien davon neben den anerkannten Religionsgemeinschaften auch andere Körperschaften öffentlichen Rechts begünstigt.

Subventionierung

Auch die Kritik an den subventionierten konfessionellen Privatschulen müsse relativiert werden. Die konfessionellen Schulen hätten einen Anspruch auf Subventionierung des Lehrpersonalaufwands, nicht aber die nichtkonfessionellen Privatschulen. Das sei eine Ungleichbehandlung. Auch diese Schulen müssten subventioniert werden, weil sie als Schulerhalter dem Staat auch Geld ersparen, sagt Potz.

Mit dem Konkordatsvertrag wird der katholischen Kirche eine öffentlich-rechtliche Stellung zuerkannt. Dieser völkerrechtliche Vertrag wirke jedenfalls auf alle anerkannten Religionsgemeinschaften, unterstreicht Potz. Die Kirche als Großgrund- und Waldbesitzer oder Unternehmer genieße auch in dieser Rolle keine Sonderstellung. Es gebe aber durchaus einige "kleinere" Privilegien, etwa im Arbeitsrecht, die zu diskutieren seien. Dass die ÖVP-Spitze jedoch dermaßen pauschal diesen Anti-Kirchen-Kurs fahre, sei "überaus bemerkenswert".

In der Partei will sich offiziell jedenfalls niemand zu den Kanzlerchats äußern. Bis auf den leidenschaftlichen Katholiken Andreas Khol. Aber auch er bleibt wortkarg. "Ich kommentiere das nicht, auf Wiedersehen" – und legt auf. (Walter Müller, 2.4.2021)