Vier Perspektiven auf unsere Lehre
Der Beginn des Sommersemesters kann ein passender Anlass dafür sein, über die eigene Lehrpraxis zu reflektieren. Um ein möglichst ganzheitliches Bild der eigenen Herangehensweise zu erlangen, schlägt der Bildungsforscher Stephen Brookfield vier Perspektiven vor, um über die eigene Lehre nachzudenken: die Position der Studierenden, die eigene Position als Lehrende*r, die Position einer Kollegin bzw. eines Kollegen und eine theoriebezogene Position.1 Wir haben im Folgenden ein paar Ideen gesammelt, wie Sie in wenigen Schritten unterschiedliche Positionen einnehmen können und somit Reflexion in Ihren Lehralltag integrieren können.
Fragen Sie Ihre Studierenden regelmäßig nach deren Sichtweise. Eine schnelle Möglichkeit ist ein sogenanntes Exitticket, bei dem Sie am Ende der Lehrveranstaltung die Studierenden beispielsweise nach einem Aspekt fragen, den sie nicht besonders gut verstanden haben und nach einem, den sie leicht nachvollziehen konnten. Die Studierenden geben die Antworten anonymisiert ab und Sie bekommen einen besseren Eindruck davon, wie Studierende Ihre Lehrveranstaltung wahrnehmen und erleben. Wenn Sie regelmäßig am Ende solche Tickets erhalten, können Sie außerdem Entwicklungen im Laufe des Semesters nachvollziehen und gegebenenfalls die darauffolgenden Einheiten anpassen.
Eine weitere Möglichkeit mehr über die eigene Herangehensweise herauszufinden ist die Selbstreflexion. Stellen Sie sich nach Ende einer Einheit Fragen wie: Was hat heute gut funktioniert? Wo haben die Studierenden besonders gut mitgemacht? Was könnte ich anders machen? Was ist mir heute besonders aufgefallen?, denn dann sind die Erinnerungen noch frisch in Ihrem Gedächtnis. Suchen Sie sich zu Beginn des Semesters ein paar wenige Fragen aus (drei bis vier sind durchaus ausreichend) und beantworten Sie diese so häufig wie möglich direkt nach der Lehrveranstaltung. Am Ende des Semesters haben Sie so eine Fülle an Notizen, aus denen Sie mögliche wiederkehrende Momente oder Veränderungen ablesen können.
Die Beobachtung der Lehre von Kolleg*innen kann zusätzlich Inspiration bieten. Kollegiale Lehrbesuche können Ihnen einerseits dabei helfen, ähnliche aber auch andere Herangehensweisen kennenzulernen. Andererseits können Sie durch die Beobachtung einer Kollegin oder eines Kollegen auch die eigene Rolle klarer reflektieren. Wichtiger Teil eines kollegialen Lehrbesuchs ist daher ein Treffen nach der Beobachtung, bei dem der gemeinsame Austausch im Vordergrund steht. Durch den Dialog haben Sie die Möglichkeit, mehr über die Herangehensweise anderer Lehrender zu erfahren, was wiederum hilfreich und inspirierend für die eigene Lehrpraxis sein kann. Bei Interesse können Sie beim nächsten Treffen der Plattform Kollegiale Lehrbesuche interessierte Kolleg*innen kennenlernen.
Wie auch empirische Studien belegen, ist der Austausch mit Kolleg*innen ein wichtiger Bestandteil der (Weiter)Entwicklung der eigenen Lehre. Gespräche und damit einhergehend eine Reflexion der eigenen Lehrpraxis tragen maßgeblich zum Selbstverständnis als Lehrende*r bei.2 Wir vom Center for Teaching and Learning bieten daher unterschiedliche Austauschmöglichkeiten mit Kolleg*innen an: Für die Reflexion verschiedener Rollen in der Arbeit an der Universität (Lehrende*r, Bewertende*r, Forscher*in, etc.) haben Sie die Möglichkeit, an einer semesterbegleitenden Supervisionsgruppe teilzunehmen. Wenn Sie anhand von Fallstudien didaktische Themen in einer interdisziplinären Gruppe diskutieren möchten, dann kommen Sie doch zu unserem Didaktik-Frühstück. Falls Sie durch die eigene Reflexion und den Austausch mit Kolleg*innen feststellen, dass Sie Unterstützung bei disziplingebundenen didaktischen Anliegen benötigen,können Sie auch maßgeschneiderte Angebote nutzen.
Nicht zuletzt kann Reflexion auch theoriebezogen stattfinden: Wenn Sie sich beispielsweise mit theoretischen didaktischen Positionen im Rahmen Ihrer eigenen Forschung oder einer hochschuldidaktischen Weiterbildung beschäftigen, dann kann diese Auseinandersetzung auch Einfluss auf das Nachdenken über die eigene Lehrpraxis haben.
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1Stephen Brookfield: Becoming a Critically Reflective Teacher, New York : John Wiley & Sons, 2017 (2nd edition), S.61-78; eine gekürzte Version des Buchkapitels bietet sein Artikel „Critically Reflective Practice“).
2Torgny Roxå and Katarina Mårtensson: “Significant conversations and significant networks – exploring the backstage of the teaching arena.” Studies in Higher Education, Vol. 34, No. 5, August 2009, S.547–559.